Frauen Selbstverteidigung
Die Kunst des Neinsagens
WingTsun-Frauen trainieren Kopf und Technik
Sonntagnachmittag im leeren Café: eine junge Frau sitzt allein an einem Tisch, nippt zufrieden am Capuccino und verschlingt ihren Krimi. Herein kommt ein Mann, steuert auf den Tisch zu: „Ist hier frei?“ Ein Rollenspiel im WingTsun-Training für Frauen. Was auf den ersten Blick banal aussieht, ist für viele Frauen in der Realität ein kleiner Alptraum: endlich mal allein, und prompt wieder angequatscht.
Beim WingTsun-Selbstverteidigungstraining lernen Frauen, ohne Wenn und Aber „Nein!“ zu sagen. Denn allzu oft spielt die so genannte gute Erziehung vielen Frauen ein Schnippchen. Da rührt sich ganz schnell das schlechte Gewissen, wenn eine Frau „egoistisch“ entscheidet und ihre Grenzen setzt. Und es geht noch weiter: „Mädchen schlagen nicht“ und „Frauen wehren sich nicht“. Was harmlos im Café beginnt, endet in der Wehrlosigkeit in (lebens-) bedrohlichen Situationen.
Sozialisation, „typisch“ weibliche Erziehung, Frauen und Gewalt – über diese Fragen wird im WingTsun-Unterricht für Frauen gesprochen. Mit dem Ziel, ein Bewusstsein für die eigene Position, für das oft unreflektierte Rollenverhalten zu bekommen.
Theorie allein genügt da nicht. In Rollenspielen á la Café und vielen anderen nachempfundenen Alltagssituationen werden die Wahrnehmung und die Sensibilität für mehr oder weniger gefährliche Situationen geschult. Hier erleben viele Frauen Überraschungen, hätten nie gedacht, dass gerade sie eine typische „Opferhaltung“ einnehmen. Damit unterscheidet sich das WingTsun-Angebot erst einmal nicht von anderen seriösen Selbstverteidigungskursen für Frauen.
Sabine Mackrodt, Leiterin der Kasseler WingTsun-Frauenschule, bringt es auf den Punkt:
„Technik und ´Kopf´ zusammen entscheiden über die Wehrhaftigkeit einer Frau; über den Ausgang eines Kampfes.“
Und genau das bietet WT seinen Schülern. Eine per se wirkungsvolle Technik mit einem aktiven Selbstbehauptungstraining. Da ist es erst einmal egal, ob Mann oder Frau den Weg des stetigen und effizienten inneren Wachstums gehen. Nur: Für Frauen ist dies als Basis einer wirkungsvollen Technik entscheidend.
Wer WT lernt, lernt sich selbst zu behaupten.
Und genau das ist der Kern einer sinnvollen Selbstverteidigung, gerade für Frauen, die es nie gelernt haben.
Ob nun Frauen den Weg allein oder mit Männern gemeinsam gehen, da streiten sich auch die WingTsun-Frauen. Die einen sagen, sie trainieren nur mit Männern, damit sie so die lähmende Angst am lebenden „Objekt“ in den Griff bekommen.
Die anderen dagegen schätzen die Nische einer reinen Frauenklasse. Das WT-Angebot ist groß, und so kann letztlich jede Frau für sich entscheiden, was für sie gut ist.
Mackrodt ist Verfechterin von „männer-freien Räumen“ während des Trainings:
„In ihrem individuellen Tempo lernen Frauen, Aggressivität, Kampfgeist und Härte im entscheidenden Moment nach außen zu tragen. Dabei können sie sich an ihresgleichen messen und so ihre Stärken und Schwächen kennenlernen. Schließlich müssen sie nachholen, was Jungen von frühesten Kinderbeinen an drauf haben.“
Mit Männerfeindlichkeit hat das alles nichts zu tun. Den WT-Frauenkursen geht es vor allem darum, Frauen mittels eines langfristigen Prozesses die Möglichkeit zu geben, den Alltag entspannter und lustvoller genießen zu können. Um, zum Beispiel, am Sonntagnachmittag im Café bei Capuccino und Krimi auch mal kraftvoll „Nein“ sagen zu können, wenn Frau danach ist.